Für Menschen, denen es an Liebe und körperlicher Zuneigung mangelt, bietet eine Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unserer Stadt zu Stoßzeiten hervorragende Abhilfe. Auch Unterhaltungsprogramm. So zum Beispiel um 13:00Uhr herum, wenn ca. 15.000 Schüler ihren Nach-Hause-Weg antreten.
Heute ist mein kurzer Tag und so komme ich in den Genuss, mich ins Getümmel der Bahnen und Busse zu werfen. Dabei wurde ich ausgezeichnet unterhalten und zugleich mit wichtigen Informationen gefüttert.
Zeit: 13:00Uhr, ein ganz normaler Wochentag
Schauplatz: Eine Buslinie im Norden unserer schönen Stadt
Personen: Beobachter (kursiv): Ich
3 kleine Schüler
2 mittelkleine Schüler
Anmerkung: Der Autor behält sich aufgrund seiner Körperkleine von 1,55m vor, alle Personen ungeachtet ihrer physischen Maße und nur in Abhängigkeit ihres Alters in Größen zu unterteilen.
(Die 3 kleinen Schüler, ein Mädchen und zwei Jungen, verbringen zunächst 10 Minuten der Fahrt damit, reihum Plätze zu tauschen. Auf einer 2er-Sitzbank, was den angerempelten Fahrgästen genervte Blicke entlockt)
Junge 1: (zu Junge2) „Kennst du den: ->Was ist Mut? Wenn man Durchfall hat und trotzdem furzt!"(quittiert seinen geistreichen Witz mit enthusiastischem Gelächter, in das Junge2 leider nicht einstimmt, da er ihn nicht verstanden hat)
Junge2: Hä?
Junge 1: (wiederholt sich, etwas lauter, wiehert wieder)
Mädchen: (teilt ihnen mit entwaffnender Ehrlichkeit mit)„Ihr seid blöd.“
Junge 1: (zu Junge2, deutet auf das Mädchen und stellt fest) „Du hast die da mal geliebt, gell?“(lächelt hämisch)
Junge2: (antwortet mit der Abgebrühtheit langjähriger Erfahrung) „Das war einmal“
Junge1: „Und was wir da auf Seite Hundertsoundsoviel im Musikbuch gesehen haben…“
Mädchen: (hilft dem ratlos aussehenden Junge2 auf die Sprünge, in dem sie nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft gibt): „Son Herz mit J+L drin, und ´nem Pfeil in der Mitte.“(Man hört ihr an, dass sie den Pfeil als böses Omen interpretiert)
(der folgende Dialog beweist, dass wenigstens die Deutschlehrer ihren Teil zur Bildung beigetragen haben, denn)
Junge1: „Jasmin und Lukas!“
Junge2: „Jennifer und Leon!“
(Man beachte die unterschiedliche Artikulation von J. Nachdem wieder herzhaft gelacht wird, wendet sich der Autor einem anderen Gespräch zu)
(Die 2 mittelkleinen Schüler, beides männliche Exemplare unserer Gattung, stellen sich soeben Rätsel)
Junge1: „Wie viel Erde passt in ein 2m²x2m²x2m² Loch?“ (setzt einen Professorenblick auf)
Junge2: „Hä?“
Junge1: (Wiederholt seine Frage, deutlicher)
Junge2: „Ein Loch im Boden oder ein anderer Behälter?“
Junge1: „Ein Loch auf einer Wiese.“
(nachdenkliche Stille)
Junge1: „Egal, lass es.“ (Entnervt)
(Ich beneide diesen Jungen. Ich kann diese Frage auch nicht beantworten, da mir die Mengenverhältnisse der sechsten Dimension leider nicht bekannt sind. Mein Loch wäre 2mx2mx2m und es würden 8m³ hineinpassen. In der Wiese, im Wald und auch in einem anderen Behälter.)
(kurz darauf dreht sich das Gespräch der Kleinen um politische Themen, in denen sich Viertklässer heutzutage schon besser auskennen als ich…)
Junge1: (liest ein Plakat der Stadt, die für einen sicheren Schulweg wirbt)“Ha, sicherer Schulweg, die ham ja keine Ahnung!“
Junge2: „Genau, in die Schule ->ohne Kopf, zuhause -> der Rest ist auch verschwunden“
Junge1: (Steigert sich in diese zweifellos kreative Idee hinein) „Nein, in die Schule -> linke Hälfte weg, nach Hause -> rechte Hälfte weg!“ (Wer hier noch geistig mithalten kann, ist zu beneiden, ich fühle mich schon zu alt dafür. Außerdem, teilen sie uns hiermit nicht detaillierte Schilderungen ihrer Computerspiele mit? Nein, in den heutigen Games wird nicht mehr einfach gemordet, kurz und schmerzlos, nein. Es wird geköpft, zweigeteilt, gevierteilt, zermanscht und zu Suppe gekocht. Naja, das mit der Suppe ist vielleicht übertrieben.)
Mädchen: „Ihr seid blöd.“ (Sie scheint mir die Vernünftigste zu sein)